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Kurzgeschichten

Das große Spiel
Das große Spiel. Gemälde - Öl auf Leinwand Alles ist verschlossen.
Nur leise sieht man das Rauschen eines Baches, der gedankenlos dahin fließt. Er hat seinen Ursprung im gespenstischen und gleichgültigen Dunkel einer Brücke, die grinsend ihre eigene Realität bezweifelt und auf einen Sieg wartet. Über den Ufern erhebt sich eine Landschaft von undurchsichtiger Schärfe aus feinen Nadelstichen, die sich zu einem fahlen Licht vereinigen. Dieses fahle Licht wirft lange Schatten, die aber ganz entgegen ihrer Gewohnheit in die Richtung des Lichtes strahlen. Dies alles dient nur als Vorwand, denn in Wirklichkeit entspringt der Fluß aus einem Auge, das herzzerreißend weint. Es versucht stur die Regeln des großen Spiels zu übersehen – den Tod, das Schachbrett und die Kerze – und kann dem Ganzen doch nicht ausweichen. Darüber erhebt sich ein Bogengang aus Gedanken und Träumen, der durch übermäßigen Gebrauch schon Risse zeigt. Er umhüllt das Ganze ohne rechten Schutz zu bieten. Auch ist er strukturmäßig mit dem Wahnsinn verwandt, denn er zeigt die Spuren der Realität. Ein Fluchtweg ist über eine Treppe zu erreichen – aber er wird selten genutzt.
Wie verirrt, schwebt ein Schlüssel durch den Raum und sein Schatten zeigt, was ihm fehlt. Darunter windet sich ein Schachbrett, auf dem nur selten ein Spiel ausgetragen wird. Die Figuren hätten darauf einen schlechten Stand, besonders der König, der durch die vorhin genannten Regeln behindert wird. Auch wird er geblendet durch das Licht, das unter der verschlossenen Tür hindurch scheint.
Das Licht stammt von einer Kerze. Keiner gewöhnlichen Kerze, denn sie besteht nicht aus Wachs wie andere Kerzen, sondern aus reiner Phantasie. Sie erhellt den gesamten Hintergrund, so daß davon nichts zu sehen ist. Ihre Passivität deutet an, daß sie mit dem Leuchten zufrieden ist und sich um die verschlossene Tür nicht kümmert.
Beachtenswert ist auch, daß die Wand durchsichtig ist und nur die Tür den vorurteilsfreien Blick verwehrt.
Die Tür ist leicht zu öffnen, denn der Schlüssel schwebt ja mitten im Raum.

Das Spiel ist dem Schach sehr ähnlich, nur daß alle Figuren schwarz sind, was das Erkennen einer Gefahr erschwert. Diese Gefahr besteht natürlich nur in der Phantasie, auch wenn der Fluchtweg durch sie scheinbar beherrscht wird.

Dies alles stellt nur eine Sekunde dar. Doch eine Stunde hat deren Tausende. Aber was sind dagegen schon sieben Jahre.

N.Burger
10.11.1981