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Kurzgeschichten

Spaziergang durch den Wald
Ich lief. Nur die Bäume und Büsche am Wegrand raschelten leise, wenn ein Windstoß sie erschütterte. Ich war so in der Bewegung des Laufens angespannt, daß ich erschrak als das Mädchen mir begegnete. Sie war jung und ausnehmend attraktiv. Ihr Gesicht mit den charakteristischen Zügen wurde von langen aschblonden Haaren eingerahmt. Die Jeans und das knappe T-Shirt bedeckten einen biegsamen Körper. Hallo! sagte sie atemlos. Ich lächelte. Hast du meinen Freund gesehen? frug sie und schaute mich mit ihrem roten, leicht geöffneten Mund an. Ich blickte träumend zum Himmel und antwortete wehmutsvoll: Ja. Dort oben flog er vorbei und warf mir Grüße für dich zu. Sie erschrak. Flog er schnell? fragte sie ängstlich. Ich blickte sie erstaunt an: Schnell? Nun ja, schnell... nicht schnell... ich besann mich. Eher langsam; so wie ein Mann, der einen Verlust verschmerzt, sagte ich und lächelte entschuldigend. Sie senkte den Kopf, Tränen tropften auf den Boden. Ich war bestürzt und faßte ihr vorsichtig unter das Kinn. Warum weinst du? fragte ich streng. Sie schaute mich an und antwortete: Weil ich ein Raum ohne Endlichkeit bin! Ich ließ ihr Kinn los und so wie ich gedacht hatte, geschah’s: Es fiel mit dumpfem Laut auf die braune Erde. Ich drehte mich um und lachte, lachte bis die Bäume sich bogen und der Wind mir ungeschützt ins Gesicht blies. Geh weg! rief ich laut und Wald, Mädchen und auch der Himmel lösten sich auf. Erstaunt blieb ich stehen und betrachtete erstarrt mein Werk. Ich fand es seltsam neu. Zwischen der Erde und der Sonne befand sich nichts, außer mir. Ich spürte, wie wichtig ich plötzlich war, auf mir ruhten die Lasten des Weltalls! Doch ach, als ich in den Spiegel eines Sees blickte, erkannte ich einen alten Mann, gebeugt vor Sorge und Scham. Das bist du. Nicht lange mehr werden deine Knochen fähig sein, zu tragen. Nimm’s mir nicht übel, aber in deinem Körper wohnt der Tod. Niedergeschmettert sank ich hin und die Sterne drückten ihr Muster auf meinen Rücken.

M. Trapp